Donnerstag, 3. Januar 2008

GESELL - der Freigeldtheoretiker

Das Währungsamt diskontiert keine Wechsel

GESELLs Bemühen ist es, die Richtigkeit seiner ursprünglichen Vorschläge durch seine Analyse zu bestätigen. Doch gerade das gelingt ihm nicht. Vielmehr weist er nach, dass die Tausch-Hypthese keine in sich stimmige Theorie des Geldes, des Kredits und des Zinses liefern kann.

Der entscheidende Punkt ist aber, dass er das nicht wahrhaben will. Deshalb kehrt er trotz seiner in der ‚Aktiven Währungspolitikrecht weit reichenden Einsichten in das Wesen einer Wirtschaft, die sich des Kredites bedient, auf halbem Weg wieder um. Dies geht aus den Äußerungen in der ‚Natürlichen Wirtschaftsordnung‘ hervor, wo er erläutert, ”wie der Staat das Reformgeld in Umlauf setzt”.

Dort heißt es: ”Mit der Geldreform wird der Reichsbank natürlich das Notenprivileg entzogen werden, und an die Stelle der Reichsbank tritt das Reichswährungsamt.

Das Reichswährungsamt betreibt keine Bankgeschäfte. Es diskontiert keine Wechsel,.... Es tritt in keinerlei Beziehung zu Privatpersonen. Das Reichswährungsamt gibt Geld aus, wenn solches im Lande fehlt und es zieht Geld ein, wenn im Lande sich ein Überschuss zeigt. Das ist alles.

Um das Reformgeld in Umlauf zu setzen, werden alle Staatskassen angewiesen, das bisherige Metallgeld und die bisherigen Reichskassenscheine zum freiwilligen Umtausch anzunehmen, und zwar pari ......[1911 (10)]

Und weiter heißt es dort: Das Reichswährungsamt beherrscht also mit dem Reformgeld das Angebot von Tauschmitteln in absoluter Weise. Es ist Alleinherrscher,.” [1911 (11)]

GESELL ändert hier seine Vorstellungen über das Geldamt innerhalb von zwei Jahren, ohne die früheren Äußerungen zu widerrufen. Ganz im Gegensatz zu den Vorschlägen in der ‚Aktiven Währungspolitik‘ lehnt er in der ‚Natürlichen Wirtschaftsordnung‘ die Diskontierung von Wechseln ab. Ist aber dann das Währungsamt wirklich ”Alleinherrscher sowohl über die Geldfabrikation, wie über das Geldangebot”? Sie kann zwar die Belehnung von Wechseln verweigern, nicht jedoch deren Nutzung selbst als Zahlungsmittel.

Weiters aber sucht man vergeblich eine detaillierte Beschreibung, wie anders das Geld in den Umlauf kommt. ”Das Reichswährungsamt gibt Geld aus, wenn solches im Lande fehlt und es zieht Geld ein, wenn im Lande sich ein Überschuss zeigt. Das ist alles.” Nirgends ist hier zu lesen, wie und an wen ‚fehlendes Geld‘ ausgegeben wird – und von wem ‚überschüssiges Geld‘ eingezogen wird, während früher der Adressat klar war: Derjenige, der Wechsel oder Obligationen verkauft oder zurückkauft, an dem kommt das Geld. Also der private Unternehmer oder der Staat. Lediglich ein Hinweis, in dem ein anderer Reformer (Flürschein) kritisiert wird, könnte mit Vorbehalt in Richtung dieses In-Umlauf-bringen interpretiert werden: Der zweite Widerspruch liegt darin, dass der Staat das Geld bei der Ausgabe selber nicht als Tauschmittel benutzte, es also nicht gegen Waren, sondern gegen Wechsel, Pfandbriefe oder sonstige Sicherheiten hergab. Und das Geld ist doch Tauschmittel, und als solches durfte es nur gegen Waren ausgegeben werden.” [1911 (9)] der Staat sollte also mit dem neu gedruckten Geld gleich kaufen. Wie er sich das aber näher vorstellt, und welche Folgen dies haben könnte, darüber findet sich nichts.

Das Währungsamt

Nochmals äußert sich GESELL näher über die Art und Weise, wie Geld in den Umlauf kommt. In

”Das Reichswährungsamt” bzw. ”Internationale Valuta-Assoziation” heißt es

......

3. Das Währungsamt wird, in Übereinstimmung mit der Quantitätslehre, Geld einziehen, solange die Warenpreise aufwärts streben und umgekehrt ausgeben, so oft und solange die Warenpreise aufwärts streben und umgekehrt Geld ausgeben, so oft und solange die Warenpreise eine Neigung nach unten zeigen.

4. Ausdrücklich wird dem Währungsamt bei der Bemessung des Geldbedarfes jede Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Reichskasse, der Banken, auch der Reichsbank, sowie auf den Zinsfuß untersagt. Auch darf das Reichswährungsamt keinerlei Bankgeschäfte betreiben, die zu Beziehungen zu Privatpersonen führen.

5. Das Reichswährungsamt setzt das von ihm auszugebende Papiergeld im Wege der Versteigerung durch Rückkauf von Reichsanleihen in Umlauf. Diese Papiere werden der Reichsschuldenverwaltung zur Vernichtung überwiesen.

6. Das Einziehen von überschüssigen Papiergeld erfolgt durch Verkauf von Reichsanleihen an den Meistbietenden, zu welchen Zweck ein Teil der unter 6 erwähnten Reichsanleihen als Rücklage zurückbehalten wird. [1920b, (1)]

Das auszugebende Papiergeld wird also durch Rückkauf von Reichsanleihen in Umlauf gesetzt und diese der Reichsschuldenverwaltung ”zur Vernichtung überwiesen.” Bezieht man dabei nun mit ein, dass GESELL in der ”Natürlichen Wirtschaftsordnung” kritisiert, dass der Staat das Geld ”nicht als Tauschmittel benutzte, es also nicht gegen Waren, sondern gegen Wechsel, Pfandbriefe oder sonstige Sicherheiten hergab”, dann wird deutlich: GESELL will das Geld nicht (mehr) als Schuldschein sehen, sondern als Tauschmittel, welches über Ausgaben des Staates in Umlauf kommt. Und diesen Geldumlauf will er streng kontrollieren: ”Das R.W.A. ist nach allen Seiten hin unabhängig: - namentlich auch gegenüber den Geldbedürfnissen des Finanzministeriums ist die Unabhängigkeit eine unbedingte. ..... Das R.W.A. wird mit allen sachlichen und gesetzlichen Mitteln ausgestattet, die für die Erfüllung seiner Aufgabe als nötig erachtet werden, so dass Zweifel am Bestande der deutschen Reichswährung nicht mehr aufkommen können. Damit wird den Spekulationsgeschäften der Boden entzogen, und der Handel kann sich auf einer festen Unterlage entwickeln.

Zu diesem Zwecke erhält das R.W.A. nicht nur das Recht zu einer dem Nennwert nach unbeschränkten Notenausgabe, sondern auch die Oberaufsicht über die Umlaufgeschwindigkeit der ausgegebenen Noten, die es durch das mittel des Freigeldes ausüben wird. .... Durch den mit dem Freigeld erstrebten und erreichten geschlossenen Kreislauf des Geldes wird die eine der beiden die Preise bestimmenden Triebkräfte, die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, zu einer feststehenden Größe, während die andere Triebkraft, die Geldmenge, durch das Recht zu unbeschränkter Notenausgabe und Notenverbrennung fest in der Hand des R.W.A. liegt.

Zum Überfluss wird auch der Verkehr mit Geld-ersatzmitteln (Wechseln) dem R.W.A. unterstellt. Durch Einführung, Erhöhung, Ermäßigung oder Beseitigung der Wechselstempelsteuern soll, sofern es für nützlich erachtet wird, der Wechselverkehr verstärkt oder eingeschränkt werden, je nachdem das R.W.A. diese wegen der Währung für geboten hält. Rücksichten auf Reichseinnahmen dürfen bei der Wechselstempelsteuer nicht mitspielen. .... [1920b, (2)]


Mit diesen Vorschlägen für ein Währungsamt bringt GESELL nun eine grundsätzlich andere Vorstellung über die Ausformung der Wirtschaft ein. Während er in der ‚Aktiven Währungspolitik‘ sich auf den Weg der Gestaltung einer Kreditwirtschaft macht, kehrt er nun zu einem Modell einer Tauschwirtschaft zurück, in der es keine Schulden gibt, weil die Produktion und auch das Handelsgeschäft nicht vorfinanziert werden müssen. Er kehrt er zu jener Wirtschaftsform zurück, die er am Beispiel von Müller und Schmied beschreibt, in der Haushalte, so wie sie sich noch vor der Industrialisierung darstellten – und nicht Unternehmen – das produzieren, wozu sie jene Ressourcen befähigen, die sie in ihrem Eigentum haben. Da sie alles haben, was sie zur Sicherung ihrer Produktion und ihrer Subsistenz brauchen, müssen sie sich in dieser Wirtschaft auch nicht verschulden.

Diese Wirtschaft bleibt weitgehend eine Eigen- oder Naturalwirtschaft, in der die Haushalte zuerst für den Eigenbedarf produzieren und den Überschuss gegen andere Konsum- bzw. Investitionsgüter auf Märkten tauschen. Die Produktion bedarf also nicht grundsätzlich der Vorfinanzierung und damit des Geldes. Geld wird nur zum Tausch benötigt, den der Kaufmann vollzieht, der zwischen den einzelnen Produzenten steht und so auch den Tausch von Vorfabrikaten und der Arbeit vermittelt.

Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass die Wirtschaft wächst. Sie wächst aber sicher weit langsamer als in einer Kreditwirtschaft. Und da die Produktion des Geld nicht bedarf, braucht auch das Wachstum der Produktion keine Kredite und kein zusätzliches Geld – im Gegensatz zu unserer Erwerbswirtschaft, wo ein Geldvorschuss notwendig ist, um überhaupt produzieren zu können.

Damit zielt GESELL nicht auf eine Reform der Kreditwirtschaft, so wie sie sich damals entwickelte und wie wir sie heute in voller Ausformung haben. Irgendwie erahnt er bereits die Folgen der Kredit- und Geldschöpfung, die einmal in Gang gesetzt, nach immer höheren Dosen verlangt. Weil Schulden nur durch noch höhere Schulden zu tilgen sind. Vielmehr zielt er auf eine Wirtschaftskonzeption, wie sie vor der Kreditwirtschaft gegeben war, die von anderen Autoren aber nicht als ‚Marktwirtschaft‘ bezeichnet wird, sondern als ‚Märktewirtschaft‘. Eine Konzeption, wie sie in den Tauschringen heute weltweit zu verwirklichen versucht wird. Deren Umsetzung heute so schwierig erscheint, weil die Menschen immer nur die lichten Seiten des Kreditgeldes sehen. Weil sie vermeinen, dass sie dieses Geld in die persönliche Unabhängigkeit entlässt, ohne zu erkennen, dass sie damit in eine Systemabhängigkeit geraten, die immer mehr Widersprüche produziert.

Bei GESELL offen gebliebene Fragen

”Um das Reformgeld in Umlauf zu setzen, werden alle Staatskassen angewiesen, das bisherige Metallgeld und die bisherigen Reichskassenscheine zum freiwilligen Umtausch anzunehmen, und zwar pari.”[1911 (10)]

So formuliert es GESELL ganz einfach. Doch das vorhandene Geld ist ein Schuldschein mit individuellen Anspruch, der nun in ein Tauschmittel umgetauscht werden soll. Das Papiergeld, das ja GESELL im Auge hat, ”ist kein Schuldschein, der zu einer bestimmten Frist eingelöst werden soll.” [1920b, (3)] Nach GESELL ist seine Deckung allein ein real gegebener Zustand, der aber nicht greifbar, nicht teilbar und individuell zusprechbar ist: Die Arbeitsteilung.

Nun aber ist das ausgegebene Notenbankgeld eine Verbindlichkeit der Notenbank, der in ihrer Bilanz entsprechende Forderungen gegenüberstehen, wie ja auch GESELL bestätigt, wenn er sagt: ”Das Notenausgaberecht der jetzigen Reichsbank erlischt, und die Abwicklung erfolgt in der Weise, dass das Reichswährungsamt die Aktiven (Goldbestände, Wechsel, Schatzanweisungen, Darlehnskassenscheine) und die Passiven (Reichsbanknoten) übernimmt.” [1920b (4)] Solange also den Verbindlichkeiten Forderungen gegenüberstehen, ist Geld ein Schuldschein. Werden die Forderungen jedoch aufgelöst, dann werden auch die Verbindlichkeiten aufgelöst, wird Geld vernichtet. Damit aber können ”die bisherigen Reichskassenscheine zum freiwilligen Umtausch” nicht mehr angenommen werden”, weil sie vorher schon vernichtet wurden.

Wie wenig GESELL sich dieses Unterschiedes bewusst ist, zeigt sich auch darin, dass er den Wechsel –also einen Schuldschein - mit hinein nimmt in seinen Vorschlag über die Steuerung der (Frei)-Geldmenge, ” .....um die von den Warenseite herrührenden Einflüsse auf die Preise auszugleichen. Die Mittel können wir uns in Gestalt von Wechseln, Devisen, .... vorstellen.” [1920b (3)]

Und so stellt sich überhaupt die Frage, ob in einer Kredit- und Investitionswirtschaft ein ‚Geld‘ möglich ist, das allein Tauschmittel im Sinne einer allgemein akzeptierten Tauschware ist? Eine Tauschware, wenngleich ‚verderblich‘, die einen inhärenten Wert hat und diesen nicht erst durch den Rechtsstaat zugesprochen erhält. Die Geschichte dieser ‚Tauschware‘ – wenngleich, so wie das Gold, nicht verderblich - in den letzten zwei Jahrhunderten zeigt aber, dass sich diese eben evolutionär in dieses Kreditgeld verwandelt hat. So ist zu erwarten, dass bei Neueinführung eines Tauschgeldes es dieses nur im status nascendi gibt, weil sich dieses sofort wieder in Kreditgeld, in ein System von Forderungen und Verbindlichkeiten, verwandeln würde.

Die zeigt sich auch am Beispiel der Tauschringe. Die Gutschrift, die der eine erhält, ist ja eine Forderung – und hat ihren Wert nur als Forderung -, während der andere eine Lastschrift, also ein Verbindlichkeit tragen muss.

* * *

Investieren ist die Voraussetzung für die Erwerbswirtschaft und deren rasante Ausdehnung. Dieses Investieren aber setzt Kredit- und Geldschöpfung über den Ankauf privater Handelswechsel voraus.

Es darf davon ausgegangen werden, dass sich GESELL mit seiner Geldreform nicht bewusst für eine Ausdehnung der Erwerbswirtschaft einsetzt. Er beschreibt zwar überschwenglich jene Entwicklung, in der nach Einführung des seiner Privilegien entzogenen Geldes alles wächst und gedeiht. Eine Wirtschaft, in der von Unternehmen jenes Geldeinkommen investiert wird, das von den Einkommensbeziehern nicht unmittelbar für den Konsum ausgegeben wird: ”Von welcher Seite man auch das zinsfreie Darlehen betrachtet, Hindernisse natürlicher Ordnung stehen ihm nicht im Weg. Im Gegenteil. Je mehr der Zins fällt, umso eifriger wird an der Vermehrung der Häuser, Fabriken, Schiffe gearbeitet werden, und am stärksten wird gebaut werden, wenn die Mietskasernen ..........gar keinen Zins mehr abwerfen.” [1911, (22)].

Doch gerade die von GESELL 1920 in ”Das Reichswährungsamt” neu formulierten Vorschläge zeigen seine Distanz zu dieser Form der Kreditgeldschöpfung, die das Wachstum der Erwerbswirtschaft so beschleunigt hat.

Doch ist zu fragen: Können in einer Wirtschaft, die auf diese ‚private‘ Geldschöpfung verzichtet, überhaupt zusätzliche Ressourcen, vor allem zusätzliche Arbeiter, beschäftigt werden? Mit einer konstanten Geldmenge kann ja bei konstanten Löhnen, die etwa monatlich ausbezahlt werden, nur eine konstante Anzahl von Arbeitern bezahlt und beschäftigt werden.

Nun ist aber davon auszugehen, dass auch bei einer gleichbleibende Zahl an Arbeitern Verbesserungen in der Produktion im Laufe der Zeit herbeigeführt und so eine Erhöhung der Produktion bewirkt werden kann. Damit aber wird mit dem gleichen Geldaufwand eine größere Warenmenge produziert, woraus dann folgt, dass die Preise der Einzelstücke sinken müssen. Dann aber sinkt auch der Preisindex, soferne das Geldamt nicht dafür sorgt, dass für den Austausch der angewachsenen Warenmenge mehr Geld vorhanden ist.

Wenn nun aber das Geldamt – so wie es GESELL fordert - als ”Alleinherrscher, sowohl über die Geldfabrikation, wie über das Geldangebot” [1911 (11)] das Geldangebot erhöht, um das Niveau der Stückpreise (Preisindex) stabil zu halten, dann finanziert es doch nur Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben, also die Gewinne.

Dies geschieht praktisch etwa dann, wenn der Staat mit dem zusätzlichen Geld, das der Produktivitätssteigerung entspricht, zusätzliche Arbeitsplätze etwa im Sozialbereich finanziert. Das Geld also - in Umkehrung einer früheren Aussage - bei der Ausgabe selber als Tauschmittel benutzte, es also gegen Waren oder Leistungen, und nicht gegen Wechsel, Pfandbriefe oder sonstige Sicherheiten, hergab. Mit diesem Geld können die dort Beschäftigten nun auf die zusätzlichen Produkte zugreifen. Die Produktivitätssteigerung kommt dabei den in der Produktion Beschäftigten nicht unmittelbar zugute, denn mit ihren Löhnen können sie nicht mehr ihr ganzes Produkt kaufen. Mit dem zusätzlichen für die sozialen Dienste ausgegebenen Geld wird aber eine staatliche Gewinnalimentation der Unternehmen bewirkt. Diese von Betrieb zu Betrieb unterschiedlichen Gewinne können nun aber durch innerbetriebliche (nicht überbetrieblich-gewerkschaftliche) Maßnahmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verteilt werden. So besteht die Aussicht, dass auch das Lohnniveau annähern stabil gehalten werden kann, gleichzeitig aber durch innerbetriebliche Sozialpartnerschaft Innovation und Wettbewerb gefördert wird.

Durch die andere Ausprägung dieser Wirtschaft im Vergleich zu unserer Kreditwirtschaft würde die Wachstumsdynamik stark eingebremst, soferne in letzterer überhaupt noch Investitionen in die Realwirtschaft – und nicht nur in die Finanzwirtschaft -erfolgen.

* * *

Schlussendlich aber muss festgestellt werden, dass GESELL mit seiner Analyse die Sinnhaftigkeit seiner Reformvorschläge über ein umlaufgesichertes Geld gerade nicht darstellen kann. Seine Arbeiten stellen sich vielmehr als ein Nachweis über das Nicht-Zutreffen der Tausch-Hypothese in der gegenwärtigen Ökonomie und der Beschreibung des Geldes als Tauschmittel heraus.

Auf der anderen Seite wächst aus den GESELLschen Ideen eine Bewegung hervor, die sich nach außen hin mit einem neuen Geld, einem ‚Geld der Zukunft‘, beschäftigt, die aber in ihrem inneren Kern eine Bewegung der Wieder- oder Neuentdeckung der sozialen Gemeinschaften ist, wo sich Menschen mit ihrer Arbeit gegenseitig austauschen. Diese Tauschgesellschaft, von der GESELL und auch die klassische Nationalökonomie ausgehen, gibt es somit noch nicht. Sie muss erst entstehen.[i] Sie wird aber nur dann entstehen, wenn Gesellschaftlichkeit nicht mehr vorwiegend durch das Geld kontrolliert wird, sondern die Gesellschaft das Geld und den Umgang damit kontrolliert.

Letztlich aber finden sich in GESELLs späteren Arbeiten neue und über seine ursprünglichen Ideen hinausgehende Ansätze, die in den letzten Jahren innerhalb der Freiwirtschaftsbewegung in den Hintergrund gedrängt und deshalb wieder aufgegriffen und weiterverfolgt werden sollten. Paradoxerweise sind dabei Muster zu erkennen, die sich zwar als Beschreibungen in der rezipierten Wirtschaftswissenschaft finden, die aber gerade nicht in den realen Strukturen erkennbar sind. Um diese Ansätze deutlich zu machen, sollen obige Zitate aus Das Reichswährungsamt” nochmals angeführt werden: [ii]

Das R.W.A. ist nach allen Seiten hin unabhängig: - namentlich auch gegenüber den Geldbedürfnissen des Finanzministeriums ist die Unabhängigkeit eine unbedingte. ..... Das R.W.A. wird mit allen sachlichen und gesetzlichen Mitteln ausgestattet, die für die Erfüllung seiner Aufgabe als nötig erachtet werden Damit wird den Spekulationsgeschäften der Boden entzogen, und der Handel kann sich auf einer festen Unterlage entwickeln.

Zu diesem Zwecke erhält das R.W.A. nicht nur das Recht zu einer dem Nennwert nach unbeschränkten Notenausgabe, sondern auch die Oberaufsicht über die Umlaufgeschwindigkeit der ausgegebenen Noten, die es durch das Mittel des Freigeldes ausüben wird. .... Durch den mit dem Freigeld erstrebten und erreichten geschlossenen Kreislauf des Geldes wird die eine der beiden die Preise bestimmenden Triebkräfte, die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, zu einer feststehenden Größe, während die andere Triebkraft, die Geldmenge, durch das Recht zu unbeschränkter Notenausgabe und Notenverbrennung fest in der Hand des R.W.A. liegt.

Zum Überfluss wird auch der Verkehr mit Geld-ersatzmitteln (Wechseln) dem R.W.A. unterstellt. Durch Einführung, Erhöhung, Ermäßigung oder Beseitigung der Wechselstempelsteuern soll, sofern es für nützlich erachtet wird, der Wechselverkehr verstärkt oder eingeschränkt werden, je nachdem das R.W.A. diese wegen der Währung für geboten hält. Rücksichten auf Reichseinnahmen dürfen bei der Wechselstempelsteuer nicht mitspielen. .... [1920b, (2)]




[i] Hier nur ein Hinweis auf die immer zahlreicher werdenden Literatur:

Bernhard A. Lietaer, Das Geld der Zukunft, Riemann Verlag

Andre Gorz, Arbeit zwischen Misere und Utopie, Suhrkamp

[ii] Hier sei auf Henry Simon verwiesen, der 1933 bis 1945 ähnliche Vorschläge macht. Siehe Milton Friedman, die Optimale Geldmenge, Fischer TB, 1976

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